
14 Sep Adrian Frutiger – Ein Schweizer Typograf mit Weltgeltung
Seine Modernität war humanistisch gemildert, sein Fachwissen mit tiefer historischer Kenntnis gesättigt: Mit dem Tod von Adrian Frutiger hat die Welt der Schriften einen ihrer prägendsten Gestalter verloren. Über dreissig Schriftfamilien schuf der 1928 in Interlaken geborene Typograf und Designer, sein Werk trug ihm ein hohes internationales Renommee und viele Würdigungen ein. Wie allen grossen Schriftgestaltern lag ihm nicht an Exaltiertheit der Form, sondern an Lesbarkeit und Schönheit.
Das zeigte sich bereits in seiner ersten bahnbrechenden Schrift, der «Univers», einer serifenlosen Linearantiqua für den Fotosatz aus jener Nachkriegszeit, als Schweizer Gestalter die Prinzipien klassischer Buchgestaltung mit Rastertypografie aufmischten. Die viele Leser zunächst schockierenden Groteskschriften ohne «Füsschen», ohne Serifen, und die für ihre Gestaltung gleichsam in Planquadraten gerasterte Buchseite waren Kinder eines Geistes. Zwei Groteskschriften, die «Helvetica» und eben die «Univers», beide zwischen 1957 und 1961 entstanden, machten damals international Furore. Anders aber als die «Helvetica», anders auch als die einförmig geometrischen Schriften des Bauhauses vor dem Krieg war die «Univers» als Schriftfamilie geplant, hatte Adrian Frutiger für sie also auch eigene kursive, schmale, halbfette und fette Formen entworfen.
Frutiger hatte Schriftsetzer gelernt , er liebte den Bleisatz und dessen belebtes Druckbild, stellte sich jedoch offen den technischen Neuerungen, namentlich der Überführung des Hochdrucks in den Flachdruck, einem Wandel, der nach angemessenen ästhetischen Lösungen rief. Nach einem Studium an der Kunstgewerbeschule in Zürich ging er nach Paris, wo er für die Firma Deberny et Peignot für die erste Fotosetzmaschine Schriften entwarf. Der Erfolg der «Univers» mag ihn zur Gründung eines eigenen Ateliers bewogen haben, sein Stern stieg. Er drang vor in den urbanen Raum der Zeichen, die uns umgeben, schuf Markenzeichen für Unternehmen, entwickelte die Beschriftung für die Métro und die Flughäfen von Paris.
Neben dem Designer blieb der Typograf Frutiger stets gefordert. Als mit dem Lichtsatz der Computer Einzug hielt, sahen dessen erste, in Punkte aufgelöste Schriften hässlich gezackt aus, der Bogen des O etwa lief in Treppen – für Frutiger war das eine Leidenszeit. Zum Maschinenstürmer machte ihn die Technik freilich nie. Er entwarf OCR-B für die automatische Texterfassung, setzte damit einen internationalen Standard für Maschinenlesbarkeit, und er half bei der Erarbeitung einer indischen Druckschrift mit. Umfangreich ist auch das Werk dieses passionierten Lehrers als Autor von Büchern, die sich mit Gestaltungsprinzipien auseinandersetzen, darunter das in sieben Sprachen übersetzte Grundbuch «Der Mensch und seine Zeichen». Seit 2003 werden Verkehrsschilder in der Schweiz mit den Schriften «Astra-Frutiger Standard» und «Astra-Frutiger Autobahn» beschriftet. Kann man als Typograf überhaupt prägender wirken? Am 12. September ist Adrian Frutiger in Bremgarten bei Bern gestorben. Er wurde 87 Jahre alt.
Quelle: Neue Zürcher Zeitung